Von einer besonderen Liebe

Weißt Du, warum in unmittelbarer Nähe jeder isländischen Mohnblume eine blaue Kornblume blüht?

 

Es war vor langer Zeit auf Island als für die meisten von uns Menschen, Elfen und Trolle noch sichtbar waren. Da lebte die Elfenprinzessin Alva mit ihrer Familie und ihrem Volk auf der Halbinsel Snaefellsnes nahe des großen Gletschers. Sie liebte es auf dem Rücken des Islandpferdes Eidfaxi reitend, die Gegend um ihren Elfenhügel herum zu erkunden und ausgelassen mit ihm am weißen Strand entlang des tosenden Eismeeres zu galoppieren.


Eines Tages waren die beiden wieder auf einer der weiten saftig grünen Wiesen nahe des Elfenhügels unterwegs, als Djarfur, der mutige und kühne junge Troll, auf der Suche nach einem Abenteuer war und zwischen den großen Lavabrocken am Rande der Wiese entlang pirschte.

 

Dazu muss man wissen, dass Trolle und Elfen zwar in Nachbarschaft leben können, aber einander überhaupt nicht leiden mögen und sie es deshalb unter allen Umständen vermeiden sich zu begegnen. Sollten sie doch einmal aus Versehen aufeinandertreffen, beschimpfen sie sich aufs Ärgste. Die Trolle nennen die Elfen „die Hochnäsigen“ und die Elfen behaupten, dass alle Trolle unkultivierte Dummköpfe seien

 

Wie Djarfur nun so von Stein zu Stein huschte, erschrak Eidfaxi vor Djarfurs Schatten und machte einen großen Satz zur Seite. Der sah gerade noch aus den Augenwinkeln wie Alva von Eidfaxis Rücken fiel und reglos im Gras liegen blieb.

Was sollte er jetzt bloß tun? Helfen, nicht helfen, helfen, nicht helfen. Trolle und Elfen können einander nicht leiden! Djarfur war hin-und hergerissen und merkte nicht wie das Islandpferd seinen Kopf zwischen die Steine schob. „Wirst du wohl deinen Trollhintern bewegen und ihr helfen!“, raunzte Eidifaxi ihn an. Djarfur drehte sich um und stammelte: „Ich kann nicht… Ich darf nicht…Elfen und Trolle …“. Das Islandpferd entgegnete: „Papperlapapp. Los jetzt! Sie braucht deine Hilfe“ und zog den Troll am Ärmel hinter den Steinen hervor.

 

Djarfur kniete neben Alva und sah in ihr blasses zartes Gesicht. Vorsichtig strich er über ihre Wangen und flehte sie an, aufzuwachen. Langsam kehrten ihre Lebensgeister zurück und sie öffnete blinzelnd ihre grünen Augen. Dabei begegnete Alva Djarfurs Blick und ihr Herz machte einen Satz, im ersten Moment vor Schreck und im zweiten Moment komischerweise vor Glück. Djarfur hatte die schönsten Augen, in die sie je geschaut hatte und ihm erging es genauso als sich ihre Blicke trafen. Da war es um sie geschehen und sie verliebten sich in einander.

 

So verbrachten Alva und Djarfur im Verborgenen glücklich mehrere Wochen zusammen bis sie beschlossen ihren Familien von ihrer Liebe zu erzählen. Die Trollmutter war außer sich als Djarfur ihr von Alva vorschwärmte. Sie verbot ihm unter Androhung der übelsten Strafen, seine Elfenprinzessin wiederzusehen und um dem Ganzen nachhaltig ein Ende zu setzen, traf sie sich mit der bösen Trollhexe Gryla.

 

Die listige Trollhexe konnte ihre Gestalt verändern und so verwandelte sie sich am selben Abend in eine der Küchenelfen, die am Hof des Elfenkönigs arbeiteten und brachte Alva ihren Becher warme Schafsmilch, die sie immer vor dem Einschlafen trank.

 

Aber kaum hatte sie den ersten Schluck zu sich genommen, wurde ihr schwindelig und sie verlor das Bewusstsein. Als Alva wiedererwachte, hatte der Zaubertrunk sie in eine Mohnblume verwandelt, die leuchtend rotblühend am Wegesrand zu ihrem Elfenhügel stand.

 

Djarfur war wütend auf seine Mutter und er hatte keine Angst vor ihren Drohungen. Heimlich stahl er sich aus der Trollhöhle davon. Ihm war es egal, welche Strafen ihn bei seiner Rückkehr erwarten würden. Djarfur suchte Alva überall auf der Halbinsel Snaefellsnes und sogar in den Höhlen des Gletschers, aber er konnte sie nirgendwo finden.

 

Eidfaxi half ihm und als er auf dem Weg zu Alvas Elfenhügel unterwegs war, machte das Islandpferd eine Pause am Wegesrand, wo eine wunderschöne blühende Mohnblume stand.

 

Wie Eidfaxi zu grasen begann, hörte er plötzlich eine Stimme, die ihm sehr bekannt vorkam und schaute sich um.

 

„Eidfaxi! Hier bin ich. Die rote Mohnblume. Ich bin es Alva. Wo ist Djarfur? Bitte hilf mir!“, rief die Blume traurig und verzweifelt. Eidfaxi konnte es kaum glauben, was er da sah und hörte. War Alva wirklich eine Blume, die sprechen konnte? Dann besann er sich wieder und versuchte sie zu beruhigen. „Natürlich helfe ich dir. Hab Geduld. Ich werde mich mit Djarfur besprechen, was zu tun ist und dann kommen wir zurück. Hab keine Angst, alles wird gut“, versprach das Islandpferd und machte sich auf den Weg.

 

Djarfur hörte Eidfaxi mit schwerem Herzen zu, was er zu berichten hatte. „Arme Alva“, seufzte der Troll und plötzlich erinnerte sich Djarfur: „Auf der Suche nach ihr habe ich einen außergewöhnlichen Mann namens Bardur getroffen, der am Rande des Gletschers Snaefellsjökull lebt. Er ist ein besonderer Mensch, weil in seinen Adern Trollblut fließt und er zauberkundig ist. Bardur hat mir sofort seine Hilfe angeboten. Ich habe das Gefühl, dass wir ihn besuchen sollten“.

 

Am nächsten Morgen machten sich das Islandpferd Eidfaxi und der Troll Djarfur auf den Weg zum Gletscherrand des Snaefellsjökull.

 

Bardur erwartete die beiden schon vor seiner Höhle und Eidfaxi erzählte von der verzauberten Alva. „Das kann nur die böse listige Trollhexe Gryla gewesen sein“, ahnte Bardur, „der Zauber kann niemals gebrochen werden. So stark ist er. Das einzige, was ich für dich Djarfur tun kann, ist, dich in eine wunderschöne blaue Kornblume zu verwandeln, die für immer neben der Mohnblume Jahr für Jahr blühen wird. So wärest du wieder mit Alva vereint und auf ewig an der Seite deiner Liebsten. Überlege es dir gut, denn der Zauber kann nie mehr rückgängig gemacht werden.“

 

Aber für Djarfur gab es keine Zweifel und er brauchte auch keine Zeit zum Überlegen.

 

Und so kam es und ist es auch heute noch, dass neben jeder isländischen roten Mohnblume eine wunderschöne blaue Kornblume blüht.

 

 

 

Silke Müller-Uloth Juni 2020

 

 

Liebe Lilja und lieber Mattis,

vielen Dank für Eure wunderschönen Bilder.

Viele liebe Grüße, Silka Herzenstimme